50 Jahre IfM Zwota

Ein Rückblick auf 50 Jahre Institut für Musikinstrumentenbau anäßlich der Festveranstaltung im September 2001
von Gunter Ziegenhals (Geschäftsführer des IfM)

Die Gründung

Das Institut für Musikinstrumentenbau Zwota wurde im Jahre 1951 als Prüfdienststelle des damaligen Deutschen Amtes für Material- und Warenprüfung (DAMW) der DDR gegründet. Die Entstehung ist dem erheblichen Engagement eines führenden Musikinstrumentenakustikers der damaligen Zeit, des aus Markneukirchen stammenden Dr. Hermann Meinel, zu danken. Nach den Vorstellungen seines Gründers, einem gelernten Instrumentenbauer, sollte das Institut durch seine Tätigkeit eigene und fremde Forschungsergebnisse auf dem Gebiet der Musikalischen Akustik für den Musikinstrumentenbau im oberen Vogtland nutzbar machen. Eine Urkunde belegt den Eintrag in das Register der Forschungseinrichtungen der ehemaligen DDR am 25. Juni 1951.
Womit befaßt sich aber ein Institut für Musikinstrumentenbau, da doch der Musikinstrumentenbau traditionell handwerklich geprägt ist und von der Überlieferung lebt ? Gemäß dem Status einer Prüfstelle bestand die Aufgabe des IfM zunächst vorrangig in der objektiven Beurteilung von Musikinstrumenten. Um diese Aufgabe zu erfüllen, war es notwendig, Forschungen zum besseren Verständnis der Funktionsweise der Instrumente vorzunehmen sowie Verfahren und Vorrichtungen zu ersinnen, die Messungen von wesentlichen (vorrangig akustischen) Qualitätsmerkmalen der Instrumente erlauben. 1959 erfolgte die Zuordnung des Institutes zur VVB Musik und Kulturwaren (später VEB Kombinat Musikinstrumente) als zentrale, industrienahe Forschungseinrichtung. Eine industrienahe Forschungseinrichtung ist es bis heute geblieben.

Statistisches

Durchstöbert man die Archive des IfM mit statistischen Hintergedanken , so findet man Berichte zu insgesamt 892 Forschungsprojekten (davon 281 Tasteninstrumente, 222 Zungeninstrumente, 109 Blasinstrumente, 97 Werkstoffforschung, Schwerpunkt Holz, 48 Schlaginstrumente, 41 Zupfinstrumente) über die in 242 Veröffentlichungen berichtet wurde. Das mutet zunächst gewaltig an. Aber alle Daten würden auf ca. 8 Gbyte Datenträger und 50 DAT - Kassetten (100 h Tonaufzeichnung) Platz finden. Man könnte alles bequem in einer Aktentasche davontragen, wenn vorher jemand alle Daten digitalisiert hätte. Dafür fehlt aber momentan die Zeit, oder genauer gesagt das Geld.

Fünf Jahrzehnte IfM

War das erste Jahrzehnt vorrangig von grundlegenden Arbeiten zur Entwicklung von Messtechniken und zum physikalischen Verständnis der Funktion der Musikinstrumente geprägt, so änderte sich dies in den 60ern grundlegend. Neben einem wesentlich intensivierten Rationalisierungsmittelbau kam die Forschungsrichtung Materialeinsatz mit dem Schwerpunkt Holzwerkstoffe sowie eine Elektronikentwicklungsabteilung hinzu. Es ist heute fast vergessen, dass die Grundlagen der ersten REGENT- Verstärkerserie, die Orgelreihen IONIKA 5 und 6 sowie MATADOR im IfM gelegt wurden. Das KLAVISET, ein elektromechanisches Instrument, bei dem Tonzungen angerissen und ihre Schwingungen elektrisch aufgenommen und verstärkt werden, entstand im IfM. Auch die Entwicklung der ersten E-Gitarren-Mischpulte gehörte zu den Aufgaben des IfM. Ende der 60er Jahre wechselte die Elektronikentwicklung zum Klingenthaler Harmonikawerk.
In den 70er Jahren erweiterte man das Aufgabenfeld des IfM auf viele Bereiche der Kulturwarenindustrie bis hin zur industriellen Formgestaltung
. So kreierten die Mitarbeiter des Institutes z.B. ein neues Tintenleitsystem für Füllhalter. Damit verbunden war eine Vergrößerung der Belegschaft; eine weitere Abteilung für technische Applikationen wurde geschaffen. Die 80er Jahre ließen das IfM auf über 80 Mitarbeiter anwachsen, die in 10 Betriebsteilen neben Zwota, Klingenthal und Markneukirchen in Plauen, Halle, Leipzig und Berlin tätig waren. Eine spezielle Mikroelektronikabteilung kam hinzu, die Psychoakustik hielt Einzug in die Arbeiten des IfM. Mit der Entwicklung und Überleitung der Technologie des robotergestützten Polierens von Akkordeongehäusen im Klingenthaler Harmonikawerk gelang es schwere körperliche Arbeit zu beseitigen und gleichzeitig die Prozesse rationeller zu gestalten. Leider fielen die Anlagen Anfang der 90er einigen Maschinenstürmern zum Opfer, die darin ihre Arbeitsplätze gefährdet sahen. Die 90er schließlich führten das IfM zu seinen Wurzeln zurück. Bei stark reduzierter Mannschaft liegen die Hauptaufgaben wieder in der Beurteilung von Instrumenten, der Beschreibung ihrer Funktion sowie in Forschungen zu eingesetzten Materialien. Das Institut arbeitet mit ca. zehn Mitarbeitern schwerpunktmäßig an wissenschaftlichen und vorwettbewerblichen Projekten für den deutschen Musikinstrumentenbau, die maßgeblich vom Bundeswirtschaftsministerium über die Forschungsgemeinschaft Musikinstrumente gefördert werden.

Beispiele unserer Arbeit

Den ersten im Archiv registrierten Bericht (1954) fertigte der Institutsgründer selbst unter dem Titel: Stellungnahme zum Bericht "Eine zusammenfassende Beschreibung elektroakustischer Musikinstrumente, ihrer Eigenarten und Anwendungsmöglichkeiten unter besonderer Berücksichtigung des Mixturtrautoniums". Dem Text kann man entnehmen, dass man der aufkommenden elektronischen Klangerzeugung eher skeptisch gegenüberstand.

Als eines der ersten Ergebnisse entstand bereits 1952 das noch heute von vielen Instrumentenherstellern genutzte "Elektrooptische Stimmgerät". Sein Schöpfer war der brillante Erfinder Gerhard Rasch, der leider kurz vor unserer 50 Jahr - Feier verstarb. Das Stimmgerät muss zwar manuell auf den jeweiligen Zielton umgeschaltet werden, jedoch ist es bei einer Genauigkeit von ± 1 cent sehr unempfindlich gegen Störgeräusche und auch für kurze Töne, wie sie z.B. Xylophone erzeugen, geeignet.

Das von der Zeitdauer her längste Projekt waren die Arbeiten zum halb- und vollautomatischen Stimmen von Tonzungen. Es begann 1960 mit ersten grundlegenden Arbeiten und erstreckte sich bis in die 80er Jahre hinein. In der ersten Hälfte der 60er Jahre wurde in Zusammenarbeit verschiedener Entwicklungsstellen und Anwendern das halbautomatische Stimmen von Akkordeonstimmplatten (HAS) entwickelt und bis 1966 30 Anlagen im Klingenthaler Harmonikawerk (KHW) installiert. Halbautomatisches Stimmen hieß, dass die Tonzungen automatisch gestimmt wurden, das Einlegen und Wenden der Stimmplatten jedoch manuell erfolgte. Ab 1972 arbeiteten die ersten vollautomatischen Anlagen zum Stimmen von Akkordeontonzungen im KHW. Später paßte man die Technologie und die Anlagen an die Blasharmonika und die Mundharmonika an. Alle Varianten der Anlagen basieren auf einem Patent von Gerhard Rasch.

Von 1971 bis 1976 entwickelten die Forscher des IfM gemeinsam mit Fachleuten der Firma MUSIMA die RESONATA - Gitarrenserie. Sie bestand aus sieben Modellen. Die Instrumente zeichneten sich durch hervorragende Klangqualität aus. So wurde die Resonanzfläche und Zargenhöhe durch Analyse der Frequenzkurve sowie durch Lautstärkemessungen in umfangreichen Versuchsreihen optimiert. Veränderungen in der Dimensionierung des Schallochs und des Resonanzraumes führten von den Tiefen bis in die höchsten Lagen zu klanglich ausgeglichenen Instrumenten. Auch in spieltechnischer Hinsicht konnten wesentliche Fortschritte erzielt werden. Das Ergebnis erwies sich am Markt als außerordentlich erfolgreich.
In Sachen elektronischer Tasteninstrumente ergab sich 1988/89 ein interessantes Zwischenspiel. Ein Team des IfM entwickelte in Zusammenarbeit mit dem Rationalisierungsbetrieb und dem Klingenthaler Harmonikawerk ein Kleinkeyboard (32 Tasten, vierstimmig polyphon mit Rhythmusgerät) bis zur Serienreife. Das Instrument basierte auf dem Einchipmikrorechner U 88XX, der z.B. auch für die Steuerung von Waschmaschinen eingesetzt wurde. Im Gegensatz zu heute verfügbaren Ressourcen mußte man dabei mit 4 kbyte ROM und 128 byte (!!!!!) RAM auskommen. Und es gelang!
Bereits 1960 wurde im IfM ein reflexionsarmer Raum (Freifeldraum) installiert. In den Jahren davor nutzte man in Ermangelung eines derartigen Messraumes die Reflexionseigenschaften von frischem Pulverschnee. Bei entsprechendem Winterwetter platzierte man die zu messenden Instrumente im geöffneten Fenster und hatte so einen vollwertigen Halbraum zu Verfügung. Das Mikrofon wurde mit einer kleinen Seilbahn, die zwischen Fenster und einem gegenüber befindlichen Baum gespannt war, bewegt. 1996 konnte dieser Messraum mit finanzieller Unterstützung des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Arbeit sowie erheblichen Eigenleistungen grundlegend rekonstruiert werden.

Die Zeit um 1990

1990 wurde im Rahmen der Zergliederung des Forschungs- und Rationalisierungsbetriebes, dessen Bestandteil das IfM inzwischen geworden war, die Institut für Musikinstrumentenbau GmbH gegründet. Sie entsprach in Zusammensetzung, Größe und selbstgestellter Aufgabenstruktur etwa dem Institut Mitte der 70er Jahre. Nach drei Jahren Konzeptionssuche und Neuorientierung gründete sich 1993 der Vogtländische Förderverein für Musikinstrumentenbau und Innovation e.V. (VFMI). Dieser übernahm das IfM von der Treuhandanstalt und führt es als eigene, industrienahe Forschungseinrichtung auf den Gebieten Musikinstrumentenbau und Musikalischer Akustik weiter. Unser Dank geht an alle, die das Institut in der schwierigen Phase der Privatisierung (1990 bis 1993) und in den Folgejahren unterstützten und maßgeblich an der Gründung und Etablierung des VFMI e.V. beteiligt waren. Die Liste derer ist sehr lang. Es seien stellvertretend vier genannt: Das Bundeswirtschaftsministerium, das Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit, der Bundesverband der deutschen Musikinstrumenten - Hersteller und nicht zuletzt die IHK Südwestsachsen Regionalkammer Plauen. Gefördert durch deren gemeinsame Aktivitäten konnte eine infrastrukturell außerordentlich bedeutsame Forschungseinrichtung, in der in dieser Beziehung sehr schwach entwickelten Region des sächsischen Vogtlandes, erhalten werden.

Das IfM heute

Das Institut verfügt über modernste technische Ausrüstungen, die in Verbindung mit der kumulierten Erfahrung der wissenschaftlichen Mitarbeiter eine effektive Zusammenarbeit mit den Herstellern von Musikinstrumenten bei der Lösung von Problemen auf musikalisch/akustischem und technischem Gebiet sichern. Als Forschungseinrichtung ist das IfM im In- und Ausland bekannt und etabliert. Neben den traditionell guten Kontakten zur PTB in Braunschweig entwickelte sich in den zurückliegenden Jahren auch eine vorteilhafte Zusammenarbeit mit der Uni der Bundeswehr in München Neubiberg.
Für eine umfassende Untersuchung an Musikinstrumenten ist die Zusammenarbeit mit exzellenten Musikern unerlässlich. Hier haben wir in der Vogtland Philharmonie Greiz/Reichenbach seit nunmehr zehn Jahren einen zuverlässigen Partner.

Wie bereits erwähnt, ist die Prüfung von Musikinstrumenten eine wesentliche Aufgabe des IfM. So entwickelten wir 1999 gemeinsam mit der Fa. Höfner einen Qualitätspass für Gitarren. Seitdem kommen permanent hochwertige Instrumente aus Bubenreuth (Baiersdorf) ins Vogtland zur Prüfung. Auch für "Warentester" war das IfM in den letzten Jahren mehrfach erfolgreich im Einsatz. 1999 betraute das Bundesministerium für Wirtschaft das IfM mit der Abwicklung des Deutschen Musikinstrumentenpreises (DMIP). Das IfM übernimmt hier die Aufgaben der Prüf- und Geschäftsstelle. Dass wiederholt vogtländische Firmen das Rennen machten, ist jedoch einzig und allein der Meisterschaft dieser Hersteller zu verdanken.

Die vorhandenen Kenntnisse werden aber auch außerhalb des Musikinstrumentenbaus eingesetzt. So bietet der VFMI e.V. mit seinem Institut Dienstleistungen auf den Gebieten Lärmschutz und Schwingungsanalyse an. U.a. wurden bereits zahlreiche Lärmprognosen für die unterschiedlichsten Bauvorhaben im Raum Sachsen/Thüringen erstellt. Für Arbeiten in der Raum- und Bauakustik sowie der Schall- und Schwingungstechnik ist eine moderne Ausrüstung und entsprechendes Know-how vorhanden. Da hier in vielen Branchen, insbesondere im Baugewerbe ein erheblicher Bedarf besteht, sieht man für die Zukunft ein wichtiges Betätigungsfeld. Es darf nicht vergessen werden, daß Raum- und Bauakustik, Schall- und Schwingungsmeßtechnik Probleme darstellen, die eng mit dem Musikinstrumentenbau und dem Spielen von Musikinstrumenten verbunden sind.

Gestützt auf die Erfahrungen im Rahmen des Projektes "Erkennung und Auswahl von einheimischem Resonanzholz durch Anwendung eines zerstörungsfreien Verfahrens zur Beurteilung der Holzstruktur" kann das IfM zusätzlich verschiedene Dienstleistungen, z.B. Gutachten zum Zustand von Holz, auch im verbauten Zustand, anbieten. Das fachlich anerkannte Verfahren der Holzstrukturanalyse mit Hilfe der Bohrnadeltechnik stellt in Verbindung mit weiteren visuellen als auch meßtechnischen Einschätzungskriterien eine gesicherte Grundlage zur Prognose der Standsicherheit von Bäumen als auch der Festigkeitsbeurteilung von Holz im Zusammenhang mit der Baustatik dar. Darüber hinaus stellt die Bohrnadeltechnik als z.Z. einziges anwendungsbereites Verfahren, ein Prognoseinstrument zur Jahrringanalyse am stehenden Stamm von Nadelholz, beispielsweise für den Musikinstrumentenbau, dar.

Bei aller positiver Bilanz kann jedoch die Zusammenarbeit mit den regionalen Firmen noch nicht befriedigen. Im Verhältnis zu den ca. 120 Musikinstrumentenbaufirmen der Region ist die Anzahl der entsprechenden Projekte und Aufträge zu gering. Es gilt wohl eben doch das Sprichwort wonach es "Am Fuße des Leuchtturms am dunkelsten ist". Mit dem Projekt "Musicon Valley", das auf der InnoRegio - Initiative des Bundesforschungsministeriums beruht, ist uns nun aber mittelfristig ein Instrument in die Hand gegeben worden, diese Situation nachhaltig zu verändern. In diesem Sinne kann man gespannt auf die nächsten 50 Jahre sein. Wie bemerkt doch Kaiser Franz so treffend: "Schau mer mal!"

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